Eines der größten Abwärmeprojekte in NRW soll zukünftig rund 30.000 Haushalte im nördlichen Ruhrgebiet mit Fernwärme versorgen. Das gemeinsame Vorhaben von bp und der Uniper Wärme GmbH beinhaltet die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Auskopplung industrieller Abwärme mit einer Leistung von bis zu 49 Megawatt –diese könnte die CO₂-Emissionen der Region reduzieren.
Die Projektplanungen laufen auf Hochtouren: Bis die industrielle Abwärme aus insgesamt acht Quellen im Bereich des Hydrocrackers und der Mitteldestillat-Entschwefelungsanlage aus der Raffinerie Scholven ausgekoppelt und in das Fernwärmenetz von Uniper eingespeist werden kann, muss eine entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Dazu gehören neben den Fernwärmeleitungen zwischen der Raffinerie und dem Kraftwerk Scholven auch Anlagen wie eine Wärmetauschstation mit Kühler, Pumpen, Ausgleichsbehälter und Trafohäuschen, Rohrbrücken und Wärmeleitungen sowie nicht zuletzt die Wärmetauscher an allen Einbindepunkten. Diese bilden die Schnittstellen in den Anlagen, die in Zukunft ihre Abwärme nicht weiter ungenutzt an die Umgebungsluft abgeben sollen. Eric Jennes ist der zuständige Projektleiter bei bp und treibt das Projekt mit Leidenschaft voran: „Erste Gespräche mit Uniper gab es bereits 2014. Nach einer gemeinsamen Konzeptstudie, einer Grundlagenplanung und umfangreichen Verhandlungen können wir in diesem Jahr nun endlich mit der Umsetzung beginnen.“
Dazu werden zwei Heizwasserkreisläufe installiert: Ein Primärkreis wird auf dem Raffineriegelände mit Hilfe der Wärmetauscher an den Einbindepunkten die aus den Produktionsprozessen ausgekoppelte Abwärme über neue Wärmeleitungen auf dem Raffineriegelände einsammeln. Die so gebundene Abwärme wird an einer neuen Wärmetauscherstation über einen Sekundärkreis bis zum Kraftwerk Scholven transportiert und dort in das bestehende Fernwärmenetz eingespeist. Hier übernimmt dann die Uniper Wärme GmbH die Weiterverteilung an ihre Endkund:innen in Gladbeck und Gelsenkirchen und teilweise weiter bis nach Recklinghausen, Herne und Datteln.
Besonders der Einbau der Einbindungspunkte in den Anlagen stellt eine logistische Herausforderung dar: Um Ausfälle oder Abschaltungen, die mit großem Aufwand und hohen Kosten verbunden wären, zu vermeiden, finden Arbeiten an den Anlagen ausschließlich während der geplanten Stillstände statt – beim Hydrocracker beispielsweise im ersten Quartal 2023. Dann muss das Drumherum passen – von der Planung bis zur Lieferung aller notwendigen Materialien. „Die erste Inbetriebnahme ist für das letzte Quartal 2023 geplant. Wir gehen davon aus, dann eine Wärme-Auskopplung von 35 Megawatt zu erreichen. Diese Leistung erhöht sich sukzessive auf bis zu 49 Megawatt, wenn alle Einbindepunkte angeschlossen sind“, erklärt Jennes.
Oberste Priorität ist es jedoch, dass der Betrieb der Raffinerieanlagen nicht beeinträchtigt wird. Deshalb besteht an allen Einbindepunkten die Möglichkeit, den Produktfluss ohne Umleitung durch die Wärmetauscher der Abwärmeanlage in das ursprüngliche Leitungssystem zu schicken. Wenn also beispielsweise im Sommer die Abwärme nicht benötigt wird, kann die Abwärmeauskopplung abgestellt werden und der originale Produktionsprozess wäre wieder funktionstüchtig.
Das Projekt ist für den Standort Gelsenkirchen bedeutend in Sachen Nachhaltigkeit und leistet im Hinblick auf die Energiewende einen wichtigen Beitrag zur CO₂-Reduktion in der Region. „Die gemeinsame Vereinbarung mit Uniper kann ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung Modernisierung und Dekarbonisierung des Industrieverbunds im nördlichen Ruhrgebiet und ein Beitrag zur CO₂-Minderung im Wärmebereich in Deutschland sein. Unsere Raffinerie in Gelsenkirchen ist ein wichtiger Ausgangspunkt vor allem für die chemische Industrie, sodass hier gleich mehrere Sektoren eine sinnvolle Einsparung an Treibhausgas-Emissionen erzielen könnten“, erklärt José Luis García Galera, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ruhr Oel GmbH – BP Gelsenkirchen.
In die technische Infrastruktur investiert Uniper rund 40 Millionen Euro, das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt mit bis zu 10 Millionen Euro. Der Förderzeitraum ist begrenzt bis zum 31. Mai 2025.