Der globale Energieverbrauch unterlag in den zurückliegenden Jahren großen Schwankungen: 2020 zeigte sich infolge der weltweiten Corona-Pandemie ein starker Rückgang. Seit 2021 kehrt sich dieser Trend wieder um und der Verbrauch steigt langsam auf das Vorkrisenniveau, was in der EU ab der zweiten Jahreshälfte zum Anstieg der Energiepreise führte. Mit dem im Februar 2022 begonnenen Krieg in der Ukraine hat sich die preisliche Lage weiter verschärft. Der Wegfall russischer Energieimporte stellte insbesondere Deutschland vor große Herausforderungen. Weitere Widrigkeiten ergaben sich aus dem stark sinkenden Rheinpegel im Juli und August 2022: Die Binnenschifffahrt spielt eine wichtige Rolle bei der Versorgung von Tanklagerstandorten und für die chemische Industrie. Der Schiffsverkehr über diese Wasserstraße kam aber in dieser Zeit nahezu zum Erliegen. Die Sorge um die Versorgungssicherheit nahm europaweit zu.
Die Raffinerie in Gelsenkirchen spielt aus unterschiedlichen Gründen eine zentrale Rolle für die Versorgungssicherheit in Deutschland: Sie liefert nicht nur Diesel für Polizei, Rettungsdienste und Feuerwehren, sondern ist auch Hauptlieferant für viele Flughäfen, vor allem im Westen Deutschlands. Die Belieferung von Privathaushalten mit Heizöl sowie die Versorgung der Tankstellen mit Benzin und Diesel hängen maßgeblich vom Betrieb der Raffinerie und vom Funktionieren der logistischen Infrastruktur ab. Nicht zuletzt spielt die Raffinerie in Gelsenkirchen eine maßgebliche Rolle bei der Grundstofflieferung für die Chemieindustrie in NRW. Sie bildet somit den Ausgangspunkt für die chemische Wertschöpfungskette. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Herstellung einiger Medizinprodukte oder Hygienemittel in direkter Abhängigkeit zur Raffinerie steht.
Die aktuellen Entwicklungen gehen an der Raffinerie Gelsenkirchen nicht ganz spurlos vorbei. „Die Transportkosten haben sich teilweise versiebenfacht. Mineralölprodukte sind zwar ausreichend vorhanden, der rechtzeitige und mengenmäßig ausreichende Transport von Benzin, Diesel oder Heizöl an die jeweiligen Zielorte bleibt dennoch eine echte logistische Herausforderung, die insbesondere in diesem Sommer in enger Zusammenarbeit mit unseren Logistikteams sehr gut gemeistert werden konnte“, schildert Raffinerieleiter Arno Appel rückblickend die Situation. Die Raffinerie profitiert zudem von zwei wesentlichen Vorteilen: Sie kann unterschiedliche Rohölspezifikationen verarbeiten und ist logistisch nicht von russischem Rohöl abhängig, da keine Pipelineverbindung nach Osten besteht. Das gewährt eine gewisse Unabhängigkeit.
Hinsichtlich der Wassertransportwege hat bp zudem Konsequenzen aus dem Rheinniedrigwasser im Herbst 2018 gezogen und Vereinbarungen mit Reedereien zu Neubauprojekten für flachgehenden Schiffsraum getroffen. Es braucht buchstäblich nur die berühmte Handbreit Wasser unterm Kiel – nämlich 20 Zentimeter –, während herkömmliche Schiffe einen Pegelstand von mindestens 70 Zentimeter benötigen. Zusätzlich wurden Lagerkapazitäten an Land auf- oder ausgebaut, um Leerständen bei Kund:innen vorzubeugen. Eine Verlagerung der Transportwege auf Schiene und Straße zählt zu den weiteren Maßnahmen, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.