Christof Blome vom rowohlt-Verlag, Dr. Stine Marg vom Göttinger Institut für Demokratieforschung und Michael Schmidt, Vorstandsvorsitzender der BP Europa SE, präsentieren die Studie auf der Bundespressekonferenz.
Diese Frage stand im Mittelpunkt der zweiten bp Gesellschaftsstudie von Professor Franz Walter und Dr. Stine Marg. In der von der BP Europa SE initiierten Studie befragte das Forscherteam in 160 Interviews Gesellschafter, Vorstände, Geschäftsführer und Unternehmer zu deren Werten, Selbstwahrnehmung und Blick auf Gesellschaft und Politik sowie zur persönlichen Biografie. Denn obwohl Spitzenmanager als Verantwortliche für tausende Arbeitsplätze und Milliardenumsätze eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung haben, ist über ihr Weltbild und Selbstverständnis wenig bekannt.
Eine Chance, die Dialogfähigkeit in Deutschland zu stärken. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung der ersten bp Gesellschaftsstudie über die Motive von Protestbewegungen ('Die neue Macht der Bürger', Rowohlt 2013) liefert das Forscherteam des Göttinger Instituts für Demokratieforschung um Franz Walter damit die Fortsetzung der Analyse gesellschaftlicher Akteure. Michael Schmidt, Vorstandsvorsitzender der bp Europa SE, sieht in der Studie eine Chance, die Dialogfähigkeit in Deutschland zu stärken.
Neben persönlichen Werdegängen und individuellen Wertvorstellungen wurden die Ansichten der Unternehmer zu wirtschaftlichen Entwicklungen, Politik und Gesellschaft detailliert untersucht.
Franz Walter und Stine Marg, die wissenschaftlichen Leiter der Studie, fassten einige wichtige Erkenntnisse des Göttinger Instituts für Demokratieforschung wie folgt zusammen:
Die Untersuchungen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Topmanager hierzulande über keine nachhaltig prägenden Auslandserfahrungen verfügt. Kurze Hospitationen oder begrenztes Schnuppermanagement in den USA und England machen sich zwar zweifellos gut für den Lebenslauf, längere Abwesenheiten vom primären Firmensitz aber werden durch Aufstiegsblockaden negativ sanktioniert. Die „Hauskarriere“ ist mithin für viele der repräsentative Weg nach oben.
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Familienunternehmen galten bis zur Finanz- und Bankenkrise 2008 schon als Fossilien einer untergegangenen Epoche der Industriegesellschaft. Doch seither ist dieser vermeintlich anachronistische Unternehmenstypus zum Aushängeschild und Stabilitätsanker der Wirtschaft in Deutschland uminterpretiert worden.
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Zufriedenheit und Selbstzufriedenheit der Unternehmer in Deutschland waren charakteristisch für die Jahre 2013 / 14 . Das milderte auch frühere Klassenkampfmentalitäten von oben. Die in zurückliegenden Jahrzehnten hart bekämpfte industrielle Mitbestimmung etwa firmiert nicht mehr in erster Linie als Hemmnis freien Wirtschaftens, sondern als ein vernünftiges Instrument, um Konflikte nicht in Konfrontationen ausarten zu lassen.
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Auch über Gewerkschaften wird kaum mehr geschimpft. Erst recht löst die Sozialdemokratie keine akute Furchtsamkeit aus. Als Held schlechthin figuriert in der Unternehmererzählung vielmehr der bislang letzte sozialdemokratische Bundeskanzler, Gerhard Schröder. Freundlich wird vielfach auch an die Kanzlerschaften von Willy Brandt und Helmut Schmidt erinnert, auch wenn sich die große Majorität der Wirtschaftsbürger rechts der Mitte einordnet.
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Nicht Gewerkschaften, nicht sozialdemokratische Parteien, nicht einmal die Linke oder notorisch kritikfreudige NGOs sind die Hauptfeinde der Wirtschaftselite, sondern „die Medien“. Sie sind Zielobjekt heftiger Empörungen und wütender Episteln im Unternehmerlager.
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Die Basalklage, die sich insgesamt durch die gesellschaftlichen Deutungen der Unternehmer zieht, ist die des Neides. In der allgegenwärtigen „Neidgesellschaft“ werde die Freiheit der Unternehmer (die so die Früchte ihrer Leistungen nicht offen zeigen könnten) eingeschränkt. Überdies dürften diese sich keinerlei Fehler („Null-Fehler-Toleranz“) erlauben, weil sie die „Neidgesellschaft“ unter Dauerbeobachtung stelle und sie gegebenenfalls durch die Medien sofort „geschlachtet“ würden.
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Die meisten Unternehmer empfinden sich mittlerweile, auch und nicht zuletzt durch das ihnen genierliche Versagen des parteipolitischen Liberalismus, als politisch heimatlos. Sie vermissen eine Vision für die Politik in Europa und in der Welt im 21. Jahrhundert. Und sie verargen der deutschen Bundeskanzlerin, derartiges weder liefern zu können, noch überhaupt zu wollen. Auch werde Politik zu häufig nur am Wähler ausgerichtet, ohne langfristige Folgen zu beachten.
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Eine weitere große Sorge gilt dem Umgang mit weichenstellenden Zukunftsproblemen, etwa dem demografischen Wandel. Hier wird zumeist die Absenkung des Renteneintrittsalters als verhängnisvolles Wahlgeschenk gesehen (auffällig ist allerdings, dass der Mindestlohn von einem Großteil der Unternehmer mittlerweile akzeptiert wird), als eine Entscheidung, welche die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährde. Der Tenor: Man sei heute gut aufgestellt - nicht zuletzt dank der Unternehmen als Motor der Gesellschaft drohe diesen Status aber zu verspielen, wenn man nicht bald gegenlenken werde. Politische Entscheidungen seien - nicht zuletzt aufgrund der kurzen Taktungen der Wahlzyklen - kurzfristig orientiert und würden, anders als das Unternehmen machen, kein langfristiges Ziel vor Augen haben.
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Intellektualität allerdings begegnen die meisten Unternehmer mit Misstrauen und Abwehr. Dergleichen geht ihnen zulasten der entschlossenen Tat und der klaren Linie. Große intellektuelle Interessen jenseits des Unternehmerischen findet man in der Tat nur bei wenigen Unternehmern.
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Unternehmer Lieben die Selbstzuschreibung. 24 Stunden am Tag alles für die Firma zu geben. Sie reagieren oft ungehalten, wenn man ihnen Probleme in der „Work-Life-Balance“ attestiert. Für viele ist „Work“ gleich „Life“. Und sie bekennen sich trotzig zu dieser Koinzidenz.
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Unternehmer sind, ob weiblich oder männlich, nahezu übereinstimmend der Auffassung, dass bislang kein gleichberechtigter Zugang in Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft existiere. Dennoch spricht sich die überwiegende Mehrheit - wiederum: gleichviel ob weiblich oder männlich - von ihnen gegen eine Frauenquote aus. Betont wird, dass Führungspositionen zuallererst aufgrund von Leistung beziehungsweise Qualifikation verteilt werden sollten. Insofern sei die Quote „eine der größten Beleidigungen von Frauen überhaupt“. Das Gros der Unternehmer sieht in gesetzlichen Vorgaben hierzu einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Es herrscht die Überzeugung, dass „ein Unternehmer doch seinen Laden so führen“ müsse, „wie er das auch für richtig hält“. Infolgedessen wird die Quote als Beispiel genommen für die „Regulierungswut“, der man gegenwärtig „ausgesetzt“ sei. Im Übrigen gibt man sich fortschrittsoptimistisch und gewiss, dass der Frauenanteil in den Unternehmen in den nächsten Jahren erheblich steigen werde - auch ohne Quote.
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Die jetzt aktive Unternehmergeneration plagt keine unangenehmen Erinnerungen an die eigene Kindheit und die familiäre Herkunft. Familiäre Harmonie, intakte Elternschaften, gelungene Sozialisationen, ein kalkulierbarer Fortgang von Schule über Universität in die Position des Managementnachwuchses bis schließlich an die Spitze eines Unternehmens scheinen offenkundig in der aktuellen Generation der Wirtschaftselite - im Unterschied zu den weitaus gebrocheneren Biografien vieler Pioniere der Industriegesellschaft - in Deutschland eher die Regel als eine Ausnahme zu bilden.
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Signifikant erkennbar ist ein deutlicher Rückgang der Kirchenorientierung bei deutschen Unternehmern. Die größte Gruppe bilden mittlerweile die Konfessionslosen mit rund vierzig Prozent (Mitte der 1960er Jahre noch zehn Prozent). Diese Entwicklung wirkt sich auf die Bereitschaft zur Organisation und Mitwirkung in Verbänden aus. Katholische Kirchenzugehörigkeit von Unternehmern korreliert positiv mit Verbandsengagement, Konfessionslosigkeit deutlich negativ.
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Kein Interesse haben Unternehmer daran, ihre Anliegen selbst und unmittelbar in den politischen Raum hineinzutragen. In der bundesrepublikanischen Parlamentsgeschichte ist der Anteil parteipolitisch aktiver Unternehmer mit Mandat nahezu kontinuierlich abgeschmolzen, von rund zwanzig Prozent aller Bundestagsabgeordneten während der 1950er Jahre auf weniger als acht Prozent heute. Nach eigenen Angaben fühlen sie sich von der Langsamkeit der Willensbildung, der Notwendigkeit mühseliger Ochsentouren und der Einvernahme durch Fraktionszwänge abgestoßen. Als Maßstab für eine „bessere Politik“ verweisen sie gerne auf die Handlungs- und Entscheidungslogiken der Privatwirtschaft. Bemerkenswerterweise fällt das Urteil über Politik bei Unternehmerinnen positiver aus als bei deren männlichen Pendants.
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Die befragten Unternehmer wollen als Politiker die besten Leute, wünschen sich schnellere Entscheidungsfindungsprozesse und eine raschere Umsetzung der getroffenen Entscheidungen.
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Primär wichtig ist Unternehmern der Rechtsstaat. Wenn Unternehmer positiv von „unserer Demokratie“ reden, meinen sie damit meist die stabile Rechtsstaatlichkeit, die den wirtschaftlichen Kalkülen Rahmensicherheiten garantiere. Gegenüber der Demokratie, verstanden als Volkssouveränität, hegen einige dagegen durchaus Bedenken. Modellen einer Referendumsdemokratie stehen sie überwiegend besonders skeptisch gegenüber. Die Kontroverse um „Stuttgart 21 “ habe ihnen gezeigt, dass man die ungebührliche Kraft eines Minderheitenvotums eingrenzen und nicht ausdehnen dürfe. Einmal demokratisch getroffene Entscheidungen müssten auch akzeptiert werden. Zudem sprechen viele der Bevölkerung die Fähigkeit ab, sich ausgewogen zu informieren, auch die Reife, besonnen zu urteilen. Die Bevölkerung sei letztlich viel zu anfällig für die Verführung durch Demagogen und Populisten.
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Die Untersuchungen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Topmanager hierzulande über keine nachhaltig prägenden Auslandserfahrungen verfügt. Kurze Hospitationen oder begrenztes Schnuppermanagement in den USA und England machen sich zwar zweifellos gut für den Lebenslauf, längere Abwesenheiten vom primären Firmensitz aber werden durch Aufstiegsblockaden negativ sanktioniert. Die „Hauskarriere“ ist mithin für viele der repräsentative Weg nach oben.
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Im Rahmen der Studie führte ein neunköpfiges Forscherteam zwischen September 2013 und August 2014 160 teilstrukturierte Einzelinterviews und drei moderierte Fokusgruppen mit Managern durch. Darunter waren Konzernlenker, Geschäftsführer von Familienunternehmen oder mittelständischen Betrieben. Unter den Befragten befanden sich Männer und Frauen, Vertreter aller Branchen sowie alle Altersklassen vom 30-jährigen Jungunternehmer bis zum 70-jährigen Vorstandsvorsitzenden. Es konnten mit der sonst zurückhaltenden Wirtschaftselite sehr offene Gespräche gelingen, da die Interviewpartner im Rahmen der Studie nicht bekannt gegeben und die Gespräche anonym ausgewertet werden. Für die Analyse der Interviews und Fokusgruppen wurden zusätzlich Experteninterviews mit Wirtschaftspolitikern oder Verbandsvertretern, Forschungsliteratur und Reportagen herangezogen.
Video vom Göttinger Institut zur Studie
Stine Marg und Felix Butzlaff vom Göttinger Institut für Demokratieforschung stellen in ihrem Interview die Studie genauer vor und berichten, warum sie gerade die Haltung und Meinung der Unternehmer in Deutschland unter die Lupe genommen haben.