In vielen Teilen des Lebens schreitet die Gleichberechtigung voran. Doch das Ungleichgewicht in manchen Berufsfeldern nimmt nur langsam ab. So entscheiden sich heute Frauen nach wie vor seltener für einen technischen Studiengang. Laut statistischem Bundesamt wählen Studentinnen EU-weit immer noch eher eine soziale als eine technische Studienrichtung.
Als die Leiterin der bp Raffinerie in Lingen, Paula Wilson, sich 1992 für ein Ingenieursstudium entschied, waren es noch weniger. In der Schule hatte man ihr als Frau eher zu einem Job im Catering oder Gastgewerbe geraten. Doch ihr Vater brachte sie auf die Idee, Ingenieurin zu werden. Ab da war sie oftmals die einzige Frau in ihrem Studien- und Berufsumfeld. Bei ihrer ersten beruflichen Station in der Stahlindustrie waren nicht mal Frauentoiletten vorhanden. Sie musste sich deshalb nicht nur fachlich immer wieder behaupten, sondern sich zusätzlich in einem männerdominierten Umfeld zurechtfinden. Früh fing sie an, sich anzupassen: „Ich habe mein Verhalten geändert, mich für Männerthemen interessiert und auch meine Ausdrucksweise geändert“, berichtet Paula Wilson. „Für mich war das damals normal. Aber ich würde mir wünschen, dass es heute für Frauen anders ist.“
Auch in späteren Karrierestationen in verschiedenen Industrieunternehmen war sie immer wieder die einzige Frau im Team. „Oft reagierten Kollegen überrascht, wenn ich mich und meine Rolle vorgestellt habe“, berichtet sie. Doch irgendwann hat sich das gewandelt. „Erst als ich mit anderen Frauen im Führungsteam gearbeitet habe, ist mir klar geworden, welchen Unterschied das für die Kultur macht. Wir brauchen unbedingt Netzwerke, die Frauen stärken und mit an den Tisch bringen“, sagt sie. Seit 2023 ist Paula Wilson Raffinerieleiterin in Lingen. In dieser Rolle liegt es ihr am Herzen, dass Frauen und alle anderen eine Kultur vorfinden, in der sie sie selbst sein können. Dieses Anliegen verfolgt bp bereits seit vielen Jahren.
Die ersten Erfolge lassen sich am Karriereweg von Anna Braun ablesen. Sie ist 2004 eingestiegen – als eine der ersten Chemikantinnen in Lingen. Einige männliche Kollegen waren erstmal skeptisch, ob die Kolleginnen dem Schichtbetrieb gewachsen sind. „Wir Frauen haben uns darüber weit weniger Gedanken gemacht. Die Aufgaben, die wir damals als junge Chemikantinnen zu erledigen hatten, haben wir einfach angepackt und gemacht – und tatsächlich war das kein Problem“, berichtet die heute 36-Jährige. Heute sind Frauen in den verschiedenen Teams keine Besonderheit mehr. „Es ist einfach normal geworden, weil es auch an allen Anlagen mittlerweile Frauen gibt“, erzählt sie. Das gilt auch für Führungsaufgaben. So ist Anna Braun stellvertretende Schichtmeisterin. „Ich habe mich sehr gefreut, dass man mir den Schritt zugetraut hat“, sagt sie. Auch in ihrer Familienphase hat bp für Lösungen gesorgt: Nach ihrer Elternzeit konnte sie im Oktober 2024 in 80 Prozent Teilzeit wieder einsteigen.
Dass sich solche Möglichkeiten rumsprechen, daran hat auch das von Mitarbeitenden initiierte „All In One Network“ seinen Anteil. Es organisierte zum Beispiel einen Talk zum Thema Elternzeit und Wiedereinstieg, an dem auch Paula Wilson teilnahm. „Wir wollen Frauen in allen Lebensphasen stärken. Es sollte ganz normal sein, dass man eine Zeit lang Care-Arbeit übernimmt und dann seine Karriere fortsetzt“, erklärt sie.
Dass für vieles heute schon passende Strukturen und gegenseitiges Verständnis geschaffen wurden, hilft bp auch, junge Frauen für eine Ausbildung in der Raffinerie zu gewinnen. Dazu entschieden hat sich auch Sophie Vahrenhorst, die gerade ihre Ausbildung zur Chemikantin macht. Ein Männerjob? Dieser Gedanke ist ihr gar nicht in den Sinn gekommen. „Ich hatte schon immer Interesse an MINT-Fächern und habe bei der Berufsorientierung erste Einblicke in die Laborarbeit bekommen.“ Erst in der Berufsschule fiel ihr auf: Nur fünf der 25 Auszubildenden waren Frauen.
Als sie im dritten Ausbildungsjahr in den Schichtbetrieb eingestiegen ist, waren stets auch Frauen mit in der Schicht. „Ich fand es super, dass eine Kollegin direkt auf mich zugekommen ist und sich als Ansprechpartnerin bei Fragen oder Problemen angeboten hat.“ Gebraucht hat sie das jedoch bislang nicht: „Ich habe mich überall willkommen gefühlt und keine Vorurteile gespürt.“ Frauen haben sich im Raffineriebetrieb über die letzten Jahre bewiesen und konnten Vorbehalte damit ausräumen.
Schon im zweiten Lehrjahr war sie mit auf Jobmessen unterwegs. „Ich glaube, es ist gut, wenn ich dort als Ansprechpartnerin sichtbar bin. Dann trauen sich mehr Mädels Fragen zu stellen und merken: Das könnte auch was für mich sein.“ Das Unternehmen besucht teilweise auch gezielt Messen und Netzwerkveranstaltungen, die sich an Frauen richten. Weiterempfehlen würde Sophie Vahrenhorst die Ausbildung in der Raffinerie auf jeden Fall. „Man sollte sich einfach trauen und keine Gedanken machen“, ermutigt sie andere Frauen.