Erdöl ist nicht gleich Erdöl
Auch wenn alle Rohöle im Kern dieselben Bestandteile enthalten – Kohlenwasserstoffe, Schwefel sowie Spuren von Sauerstoff, Stickstoff und Metallen –, weist jede Sorte andere Eigenschaften auf. So ist beispielsweise Rohöl aus Algerien dünnflüssig und strohgelb, während venezolanisches Rohöl dickflüssig und tiefbraun ist.
Die Unterscheidung zwischen den Rohölsorten erfolgt am Markt nach verschiedenen Kriterien, wie beispielsweise der Förderstätte, der Dichte oder dem Schwefelgehalt.
Je leichter, flüssiger und schwefelärmer ein Rohöl ist, desto höher ist seine Qualität. Der Grund dafür ist, dass diese sogenannten 'Light Sweet Crudes' einfacher, schneller und günstiger verarbeitet werden können. Der Nachteil dieser Sorten: Aufgrund ihrer Beliebtheit in der Verarbeitung ist ihr Fördermaximum bereits überschritten. Ihr Marktpreis ist dementsprechend höher als der Preis für schwere Rohölsorten.
Vereinfacht gesagt gilt: Je mehr Energie und Aufwand zur Verarbeitung nötig ist, desto günstiger das Rohöl. Einen einheitlichen Preis für Rohöl gibt es folglich nicht.
Geht es um die Auswahl der Rohöle für die Verarbeitung, spielt in einer Raffinerie aber nicht nur der Einkaufspreis eine Rolle. Entscheidend sind auch die maximale Auslastung der Anlagen, Rohölverfügbarkeiten, die Qualität sowie die Wirtschaftlichkeit der Endprodukte.
Daher setzen beispielsweise die Produktionsplaner von der bp in Gelsenkirchen und Lingen auf eine ökonomisch sinnvolle Mischung verschiedenster Rohölsorten. Folglich kommt es nie zum Einsatz einer Rohölsorte in den Anlagen, sondern es werden immer Mischungen aus bis zu 15 verschiedenen Sorten verarbeitet.
Angenommen die Ruhr Oel Raffinerie in Gelsenkirchen-Scholven setzte nur West Texas Intermediate ein – ein leichtes, flüssiges und schwefelarmes Rohöl – so würden nach der Verarbeitung in der Destillationsanlage nahezu keine Rückstände anfallen. Die Folge wäre, dass die vorhandenen Konversionsanlagen und die Entschwefelungsanlage im Werk Gelsenkirchen-Horst nicht ausgelastet wären.
Mit ihnen verfügt die Raffinerie jedoch über die nötigen Technologien, um hunderte unterschiedlicher Rohölmischungen aus verschiedenen Förderregionen der Welt zu verarbeiten. Damit lassen sich auch andere Kohlenwasserstoffressourcen wie Erdgas und Biomasse in hochwertige Kraftstoffe und chemische Produkte konvertierten. Diese Flexibilität trägt dazu bei, die Versorgung langfristig zu sichern.
Die Verarbeitung einer einzigen Rohölsorte ist nicht nur unwirtschaftlich für breit aufgestellte Raffinerien, sondern in der Praxis auch nicht umsetzbar. Denn bereits beim Transport des Rohöls vom Schiffstank über die Zwischentanks in Wilhelmshaven und die NWO-Pipelines werden Rohölsorten auf Anweisung der Produktionsplaner vermischt, so dass kein Rohöl in Reinform in den Raffinerien ankommt. Der Grund hierfür ist unter anderem die Zähflüssigkeit einiger schwerer Rohöle, die ohne Zugabe leicht flüssiger Sorten nicht durch eine Pipeline gepumpt werden könnten.
Die Qualität des Rohöls wird während des gesamten Transports überprüft. Dazu werden Proben aus dem Schiffstank, den Zwischentanks und den Lagertanks in der Raffinerie gezogen und im raffinerieeigenen Labor anhand festgelegter Richtwerte untersucht.
Abweichungen von den offiziellen Werten, die bp Expert:innen im englischen Sunbury bestimmen, werden vom Labor an die Produktionsplanung weitergeleitet. Diese pflegt die ermittelten Werte in die Planung ein, so dass der Rohöleinsatz errechnet werden kann. Vor dem Destillationsprozess wird auch noch einmal die fertige Rohölmischung, überprüft.
Qualitätskontrollen beim gesamten Transport
Zum einen gibt es die wirtschaftliche Perspektive. Die Planer:innen erhalten wöchentlich Preise über Rohöle und täglich Informationen über die Preisentwicklung der Endprodukte, anhand derer sie den Rohöleinsatz planen können. Zum anderen gibt es Restriktionen durch die Beschaffenheit der Anlagen. Beispielsweise dürfen der Schwefel-, Säure- und Metallgehalt der Rohölmischung bestimmte Richtwerte nicht überschreiten, anderenfalls käme es zu Schädigungen an den Anlagen.
Dank spezieller Technologien können wir vorhersagen, wie sich die Verarbeitung bestimmter Rohöle auf die Anlagen auswirkt. So können die Expert:innen bei bp durch die exakte Bestimmung der Rohölzusammensetzung und anderer Betriebs- und Einsatzstoffe (Feedstocks) auf molekularer Ebene potenzielle Auswirkungen auf den Verarbeitungsprozess und die damit verbundene Infrastruktur ebenso wie auf die Qualität unserer Produkte beurteilen.
Ferner lässt sich die Zusammensetzung der Rohöle, einschließlich ihrer geochemischen Vergangenheit, abrufen und protokollieren. Auf Basis der verschiedenen Technologien können unsere Ingenieur:innen den jeweiligen Ausgangsstoff nicht nur besonders wirtschaftlich verarbeiten, sondern auch den Zeitraum und Umfang eventueller Instandhaltungsmaßnahmen präzise im Vorfeld festlegen.