In den kommenden Jahren beabsichtigen wir, das Produktportfolio unserer Raffinerie in Lingen weiter zu diversifizieren: Neben konventionellen Kraftstoffen soll sie so künftig auch eine Vielzahl an CO2-ärmeren Energielösungen anbieten. Hierzu zählen Biokraftstoffe – mit einem besonderen Fokus auf nachhaltigere Flugkraftstoffe – sowie grüner Wasserstoff. Mit diesem angepassten Angebot wollen wir die steigende Nachfrage nach alternativen Energie- und Kraftstoffoptionen decken und gleichzeitig die betrieblichen Emissionen (Scope 1) der Raffinerie immer weiter reduzieren. Auch eine effizientere Ressourcennutzung ist fester Bestandteil dieser Weiterentwicklung in Lingen. Durch ein verbessertes Wassermanagement soll beispielsweise der Einsatz von Frischwasser deutlich gesenkt werden.
Emissionsärmere Biokraftstoffe können einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten – auf der Straße, in der Luft und zu Wasser. Deshalb investiert bp in neue Produktionsverfahren und hat in ihrer Raffinerie in Lingen 2019 zum ersten Mal das sogenannte „Co-Processing“-Verfahren angewandt. Hierbei werden Rohöl und biogene Komponenten gemeinsam verarbeitet. Die bestehenden Anlagen müssen dazu nur leicht modifiziert und erweitert werden, sodass eine Produktion im industriellen Maßstab problemlos möglich ist.
Die bp Raffinerie in Lingen ist Vorreiterin auf diesem Gebiet: Seit Februar 2022 werden dort nachhaltigere Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuel, SAF) aus gebrauchtem Speiseöl oder dem Öl der Carinata-Pflanze im industriellen Maßstab produziert. Zudem können auch Hydrated Vegetable Oil (HVO) und Bio-Naphtha hergestellt werden. Die Endprodukte haben die gleichen chemischen Eigenschaften wie konventionelle Raffinerieprodukte, verursachen durch die biogenen Komponenten aber bis zu 80 Prozent weniger Treibhausgasemissionen.
Das „Co-Processing“-Verfahren ist eine Schlüsseltechnologie für den Markthochlauf der Produktion von Biokraftstoffen, in deren Zuge der Raffinerie in Lingen eine Schlüsselrolle im globalen bp Verbund zukommt. Das globale Ziel von bp ist es bis 2030 täglich bis zu 100.000 Barrel Biokraftstoffe zu produzieren.
In unmittelbarer Nähe zur Raffinerie Lingen wird bp einen 100 Megawatt (MW) Elektrolyseur erbauen, der jährlich bis zu 11.000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren könnte. Er ist als die bisher größte Produktionsanlage von bp für grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab weltweit geplant – und die erste, die das Unternehmen vollständig besitzen und betreiben wird. Der Bau wird durch eine Förderung im Rahmen des IPCEI-Programms (Important Projects of Common European Interest) unterstützt und soll 2025 beginnen. Eine Inbetriebnahme wird im Jahr 2027 erwartet.
Der benötigte Strom für die Anlage wird aus erneuerbaren Quellen stammen. Hierzu soll voraussichtlich zunächst ein Offshore-Wind Stromabnahmevertrag (Power Purchase Agreement, PPA) geschlossen werden. Der grüne Wasserstoff soll an die bp Raffinerie sowie durch einen direkten Anschluss an das Wasserstoffkernnetz auch an weitere Abnehmer in der Region geliefert werden. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, den Wasserstoff zur Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse oder auch als grünen Treibstoff einzusetzen. In der Raffinerie soll der grüne Wasserstoff mittelfristig einen erheblichen Teil des derzeit aus fossilem Erdgas erzeugten Wasserstoffs ersetzen und somit zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen am Standort beitragen.
Die Luftfahrt ist nur schwer zu elektrifizieren und es bedarf daher anderer Lösungen, um auch in diesem Sektor die Emissionen zu reduzieren. Nachhaltigerer Flugkraftstoff, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF), weist hier ein besonders großes Potenzial auf. Denn SAF kann die CO2-Emissionen im Luftverkehr über den gesamten Lebenszyklus um bis zu 80 Prozent im Vergleich zu fossilem Kerosin reduzieren.
Bereits seit 2022 produziert bp daher in der Raffinerie in Lingen nachhaltigere Flugkraftstoffe im „Co-Processing“-Verfahren. Als erste industrielle Produktionsstätte in Deutschland, die dieses Herstellungsverfahren auf Basis von Biomasse aus Abfällen und Reststoffen anwendet, geht bp damit zukunftsweisende Wege.
Da SAF dieselben Eigenschaften wie herkömmliche Flugkraftstoffe aufweist und entsprechend genormt ist, kann es mit einem Anteil von fünf Prozent biogenen Stoffen auch international für den Flugverkehr eingesetzt werden. Leistung und Sicherheit werden dabei nicht beeinträchtigt. Dabei ist beim Mischverhältnis wortwörtlich noch viel Luft nach oben: Ende November 2023 zeigte der erste Transatlantikflug einer kommerziellen Fluggesellschaft mit SAF aus 100 Prozent nachhaltigen Rohstoffen von Air bp und Partner Virent, dass auch die ausschließliche Nutzung biogener Komponenten möglich ist.
Auch die Raffinerie Gelsenkirchen befinden sich in einer umfassenden Transformation, um die Energiewende zu unterstützen und ihre Potentiale zu nutzen. Ziel ist es, die operativen CO2-Emissionen (Scope 1) ab 2026 um bis zu eine halbe Million Tonnen jährlich zu reduzieren. Dazu wird unter anderem die Komplexität des Standorts verringert, indem verschiedene Anlagen aufgrund der zu erwartenden rückläufigen Auslastung außer Betrieb genommen werden sollen. Die Versorgungssicherheit bleibt jedoch zentrales Ziel: Gelsenkirchen wird auch weiterhin konventionelle Kraftstoffe für Deutschland produzieren und dazu beitragen, die Nachfrage nach petrochemischen Produkten in Nordrhein-Westfalen zu decken. Gleichzeitig ebnet die Transformation den Weg, um die Produktion an den sich wandelnden Energiebedarf des Marktes anzupassen und zunehmend CO2-ärmere Prozesse einzuführen.
Hier bauen wir auf bereits angestoßenen Projekten auf: So modernisieren wir im Rahmen von „Steam & Power“ – eines der umfangsreichsten Standortprojekte – aktuell die Dampf- und Stromversorgung der Raffinerie, um sie für die Zukunft zu rüsten. In den Gelsenkirchener Stadthafen haben wir 45 Millionen Euro investiert, um ihn in einen modernen, hocheffizienten Logistikhub für Kraftstoffe und petrochemische Produkte umzubauen. Zudem treiben wir gemeinsam mit Uniper „Green Heat Scholven“ – eines der größten Abwärme-Projekte in Nordrhein-Westfalen – voran.
Mit dem Modernisierungsprogramm Steam & Power will bp ihre Raffinerie in Gelsenkirchen fit für die Zukunft machen. Ziel ist es, die Verfügbarkeit der Betriebsmittel Dampf und Strom zu erhöhen und gleichzeitig die Umweltbilanz der Anlagen zu optimieren. Dadurch soll der CO2-Ausstoß der Raffinerie um rund 180.000 Tonnen pro Jahr verringert werden. Das Programm ist in drei Teilbereiche gegliedert und umfasst über 40 Umbaumaßnahmen im Bereich der Dampf-, Wasser- und Stromversorgung:
Steam & Water
Dampf gehört zu den zentralen Betriebsmitteln in der bp Raffinerie – nahezu alle Anlagen benötigen Wasserdampf verschiedener Temperatur- und Druckstufen. Dank der Errichtung von vier neuen Hochdruck-Dampfkesseln wird bp in Zukunft komplett unabhängig von der externen Dampfversorgung sein und zudem über den neusten Stand der Technik mit entsprechender Effizienz verfügen. Als Brennstoff für die Dampferzeugung wird vor allem das am Standort ohnehin anfallende Raffineriegas genutzt. Dies trägt zum Kreislaufgedanken bei und verringert die sicherheitsnotwendige Verbrennung von Prozessgasen beim An- und Abfahren von Anlagen über die Raffineriefackeln. Eine neue Wasseraufbereitungsanlage sowie die Modernisierung bzw. Neuerrichtung der Infrastruktur zur Versorgung der Anlagen mit Wasser, Dampf, Kondensat und Brenngas runden dieses Teilprojekt ab.
Power
Die Anlagen einer Raffinerie sind rund um die Uhr im Einsatz und hängen unter anderem maßgeblich von einer zuverlässigen Stromversorgung ab. Zu deren Modernisierung wurde im Teilprojekt Power ein Doppel-Ringsystem aufgebaut, das die Zuverlässigkeit der Stromversorgung erhöht. Darüber hinaus wurden elektrische Anlagen in größerem Umfang erneuert, wodurch das Risiko von Stromausfällen weiter reduziert wird. Im Rahmen des Projekts wurden über 200 Kilometer Mittelspannungskabel verlegt – dabei wurde zwei Mal die A52 unterquert. Zudem wurden 18 Stück 35-kV-Transformatoren erneuert und eine Netzanbindung an das 220-kV-Netz wird zur Zeit auf 380 kV umgestellt.
Folgeprojekte
Neben den beiden Hauptprojekten werden in der Raffinerie noch viele weitere Ergänzungsmaßnahmen umgesetzt, um die neuen Anlagen optimal in den Betrieb einzubinden. Hierzu gehören unter anderem die Inbetriebnahme neuer Gasmischstationen und Kühlwasseranlagen, die Errichtung von drei Schalthäusern mit der nötigen Elektro- und Schalttechnik sowie ein neues Feuermeldesystem.